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Ein Beitrag zur Geschichte des Schiffbaus am Strelasund
Autor: Dietmar Simon

Der Schiffbau in Vorpommern hat eine Jahrhunderte alte Tradition, war jedoch überwiegend auf den Bau von vergleichsweise kleineren Segelschiffen, Kähnen und Booten ausgerichtet. Noch im späten Mittelalter sind Nachweise in Form von Aufzeichnungen gegenüber anderen Handwerken recht spärlich. Auf einigen alten Stadtansichten dagegen sind Schiffbau-Szenerien dargestellt, die eine genaue zeitliche Zuordnung gestatten. Diese datieren aber erst ab Ende des 16. Jhdt. und geben anfangs weder über die Intensität des Gewerbes im Langzeitraum noch über Schiffstypen und deren Größe verwertbare Auskünfte.

 

Schiffsfunde aus der Zeit ab Mitte des 13. Jhdt, die Rückschlüsse auf den Bau dieser Schiffe nahe ihres Fundortes zulassen würden, wie es bei der Bremer Kogge (1380) der Fall ist, gibt es im Strelasund leider auch nicht. Die Schiffswracks aus der Hansezeit vor dem Darß (Darßer Kogge 1313) und vor Hiddensee (Gellenwrack 1378) liefern zwar wertvolle schiffbau-historische Erkenntnisse, geben jedoch ihren Schiffbauort nicht Preis und müssen allein wegen ihrer Fundortnähe nicht in Stralsund erbaut worden sein. Auch archäologische Funde mit Hinweisen auf hiesige Schiffbauplätze sind eher selten. Bei Ausgrabungen im Stralsunder Hafenviertel nahe der Heilgeistkirche (um 1998) und nördlich des Querkanals gefundene Artefakte (geschmiedete Eisenkleinteile und Schiffsnägel, Fragment eines hölzernen Heckruders, ein Stevenknie u. a.) sind einige Zeugnisse hiesigen Schiffbaus aus dieser frühen Zeit. Die Forscher gehen allerdings davon aus, dass alle die gefundenen Überreste von Schiffsteilen eher auf Reparatur- oder Abwrackarbeiten hindeuten als auf eine ausgeprägte Neubautätigkeit in Stralsund in den ersten Jahrhunderten nach der Stadtgründung von 1234.

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Im alten Stralsunder Hafen des Mittelalters mit seinen Stegen, wie er bis Ende des 18. Jhdt. nahezu unverändert an der Wasserfront bestand, darf man mit großer Wahrscheinlichkeit Wrackteile alter Schuten, Schnicken u. a. Fahrzeuge auf dem Hafengrund vermuten. Folgt man den Chroniken, erschienen zum Beispiel am 5. Mai 1429 die Dänen mit fünfundsiebzig Schiffen vor Stralsund und richteten im Hafen große Zerstörungen an. Beim Gegenangriff der Stralsunder Flotte am 9. Mai unter Bürgermeister Nikolaus von der Lippe wurden einige dänische Schiffe versenkt. Auch durch weniger dramatische Ereignisse sind über die Jahrhunderte Zeugnisse des Schiffbaus auf den Grund des Hafens gesunken. Mit der kompletten Umgestaltung des Areals Mitte des 19. Jhdt. wurden aber mögliche Hinterlassenschaften vernichtet. Durch Aufschüttung großer Flächen im Sund wurden die heutigen Hafenplateaus geschaffen und begruben für immer solche Spuren.

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Die im Kämmereibuch von 1392-1440 (siehe Bilder) für 1393 nachgewiesenen acht Stralsunder Schiffbaumeister und die auf den frühen Stadtansichten dargestellten Segler, meist in Form von Hulks und Fleuten, sind keine hinreichenden Indizien für eine florierende Neubautätigkeit in dieser Zeit und schon gar nicht für Schiffe der abgebildeten Größe. Für die Hanse-Kogge (auch der Koggen) der Ostsee gegen Ende des 13. Jahrhunderts kann man nach Paul Heinsius (Marinehistoriker 1919-2001) Abmessungen bis zu 29 m Länge, 7 m Breite und 3 m Tiefgang als weit verbreitet annehmen. Damit haben wir es seinerzeit mit Großschiffen zu tun, die Stralsund wegen der beschränkten Fahrwasserverhältnisse nur schwerlich hätten verlassen können. Gleichwohl war ein Anlaufen des Stralsunder Hafens mit diesen „Ozeanriesen ihrer Zeit“ (Paul Heinsius) so gut wie ausgeschlossen; auch nicht im geleichterten Zustand.

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Es ist mit der Hafenordnung von 1278 dokumentiert, dass vor der Insel Hiddensee ein Umschlagplatz lag und der Warentransport von und nach Stralsund durch den Gellenstrom und den Strelasund mittels flach gehender Fahrzeuge erfolgte. Die Schiffsdarstellungen auf den frühen Stadtansichten sprechen deshalb auch mehr für die künstlerische Freiheit der Zeichner und weniger für die natürlichen Gegebenheiten. Die älteste Stadtansicht Stralsunds von 1592 zeigt nicht nur bei den Schiffen wenig Realitätsnähe, sondern auch bei der Hafendarstellung, zumal in der Überschrift sogar Stettin anstatt Stralsund erwähnt wird.

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​Die Fahrwasserverhältnisse der Ansteuerung Stralsund bereiteten dem Schiffbau übrigens noch bis in unsere Zeit mehrfach Schwierigkeiten.

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Beim Entwurf des Fabriktrawlers Atlantik 488 zum Beispiel waren Kompromisse für die Schiffslinien einzugehen. Der für die Schiffsform optimale Konstruktionstiefgang musste etwa 20 cm kleiner gewählt werden und eine Aufkimmung konnte nicht berücksichtigt werden. Der Hintergrund war die in den 1980ger Jahren bestehende Tiefgangsbeschränkung für die Ostansteuerung. Das Wasserstraßenamt hatte einen maximal zulässigen Tiefgang für Schiffe von 5,20 m vorgeschrieben, bei dem 0,80 m Kielfreiheit gewährleistet waren. Der 120 m lange Trawler musste dafür auch noch auf Trimm Null ballastiert werden, was ebenfalls zu Lasten des Entwurfstiefganges ging.

 

Eine weitaus schwierigere Situation zeichnete sich beim Bau der fünfzehn Hecktrawler Typ FVS 419 auf der Volkswerft in der Zeit vom Frühjahr 1994 bis Sommer 1995 ab. Die Chance, in den Jahren des politisch-wirtschaftlichen Umbruchs 1991/92 einen Vertrag zum Bau einer Serie von fünfzehn Schiffen „an Land zu ziehen“, war für die Stralsunder Werft existentiell. Zwingende Forderung des russischen Käufers war aber, dem Klassifikationsprojekt und der Konstruktion ein norwegisches basic design des Entwurfsbüros Fiskerstrand og Eldoy A/S zugrunde zu legen, nach dem in Norwegen bereits mehrere Trawler vom sog. Sterkoder-Typ nach internationalen, aber nicht nach russischen Vorschriften, gebaut waren.

 

Das Projektbüro der Volkswerft korrigierte den Schiffsentwurf vorschriftengerecht (Mehrgewichte durch Anordnung eines massiven gusseisernen Ballastkiels, Tankänderungen, extreme Hecklastigkeit u. a.) und kam so zu der Aussage, dass das Schiff den von Amts wegen maximal zulässigen Tiefgang von 5,30 m bei Normalpegel für das Passieren der Ostansteuerung nicht einhalten kann. Geschäftsführung, Aufsichtsrat oder DMS AG Rostock widmeten dieser Thematik keine Aufmerksamkeit, zumal sich das Unternehmen in der Privatisierungsphase befand und am 18. Februar 1993 vom Bremer Vulkan übernommen wurde.

 

Der Auftraggeber setzte während der Bauphase umfangreiche technische Änderungen durch, in denen das Bremer Management mehr finanzielle Vorteile sah als nachteilige technische Auswirkungen auf den Probefahrtstiefgang des Trawlers. Bereits in der Bauphase auf der Werft, verstärkt durch den Kielfall und zusätzlich durch den stark hecklastigen Trimm, mussten kostenintensive Ballastierungsmassnahmen eingeleitet werden, um Grundberührung im Werfthafen zu vermeiden. Der Krängungsversuch mit dem ersten Schiff im Dezember 1993 zeigte unwiderruflich die prognostizierten Probleme; ein Verlassen der Werft war wegen zu großen Tiefganges ausgeschlossen. Zusätzliches Ballastieren im Vorschiff für einen kopflastigen Trimm musste ebenso verworfen werden wie der Einsatz eines Schwimmkranes hinter dem Schiff zum „Liften“ des Hinterschiffes.

 

Die Ingenieure entwickelten einen U-förmigen Ponton, der im gefluteten Zustand unter dem Heck des Schiffes eingeschwommen und dort befestigt wurde. Durch Lenzen erzeugte dieser dann einen Auftrieb, der das Heck des Trawlers anhob und den Tiefgang achtern auf 5,28 m einstellte. Mit dieser Lösung konnte die fehlende Wassertiefe im Strelasund ausgeglichen werden und alle fünfzehn Schiffe wurden auf diese Art bis in die freien Gewässer beim Landtief/Thiessower Haken geschleppt. Dort wurde der Ponton geflutet, vom Schiff gelöst, gelenzt und zur Werft zurück geschleppt für den nächsten Einsatz.

 

Die Problematik der beschränkten Fahrwassertiefe im Sund sollte für den Stralsunder Schiffbau letztlich eine noch größere Brisanz erreichen. Im Januar 1998 hatte der dänische Konzern A.P.MØller die Volkswerft übernommen mit der Absicht, für seine eigenen Unternehmensbereiche Container- und Spezialschiffe zu bauen. Der Tägliche Hafenbericht (THB) vom 12. Januar 1998 wusste auch zu berichten, dass A.P.MØller eine Vertiefung der „Strelasund-Tiefe“ zur Bedingung für den Werftkauf machte. Das Baggern werde aber nicht vor 1999 erfolgen und die ca. vierzig Mio DM für die Vertiefung auf 6,90 m würden zulasten des Bundes gehen.

 

Dies war lediglich das Vorspiel für die Schiffstypen VWS 2900 und VWS 3000 mit ihren Probefahrtstiefgängen von 5,95 m. Als A.P.MØller–Maersk dann 2003 die erste Anfrage zum Bau eines 4000 TEU Containerschiffes von fast 300 m Länge an die Volkswerft heran trug, richteten alle Beteiligten wegen der extremen technischen Parameter eines solchen Schiffes erst einmal ihre Blicke auf die Werftausrüstungen. Der in kürzester Zeit vom Projektbüro der VWS mit der Odense Steel Yard und Maersk Ship Design erarbeitete Entwurf wies einen prognostizierten Tiefgang des Schiffes auf ebenem Kiel beim Verlassen der Werft von 6,57 m aus. Dabei waren alle „ingenieurtechnischen Tricks“ bereits inkludiert (Lukendeckel teilweise übereinander auf dem Vorschiff gestaut, restliche Lukendeckel nach Verlassen der Werft an Bord gebracht u.ä.), um den Trimm = 0 einzustellen.

 

In diesem Falle wurde der Weg frei gemacht für ein ungehindertes Passieren der Ostansteuerung mit dem riesigen Schiff, indem eine Baggerung im Jahr 2005 auf eine Wassertiefe von 7,50 m bei Normalpegel durchgesetzt wurde, die neben der Werft auch dem Hafen zum Vorteil gereichte. Die Werft schickte alle sieben VWS 4000 mit dem maximal zulässigen Tiefgang von 6,60 m ab März 2006 auf Probefahrt und hielt damit die geforderte Kielfreiheit von 0,90 m ein.

 

Neben diesen technischen und administrativen Herausforderungen hatte sich die Werft in Bezug auf Fahrwasser- und Tiefgangsverhältnisse zu allen Zeiten mit einem weiteren Problem auseinander zu setzen. Bei ungünstigen Wetter- und Windverhältnissen ist im Strelasund durchaus mit erheblichen Pegelschwankungen zu rechnen. Mit dem Bau der immer größer werdenden Schiffe ab den 1970iger Jahren nahm das Risiko zu, wegen Niedrigpegel die vertraglichen Termine des Auslaufens zur Probefahrt oder der Ablieferung nicht einhalten zu können und Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Dieses Risiko der Werft als Force Majeure anzuerkennen, weigerten sich die meisten Reeder. Dass die größeren Schiffe ab den 1990iger Jahren nach der Probefahrt oft nicht wieder den Werfthafen anliefen und meist in Rostock übergeben wurden, ist auch diesen schwierigen Fahrwasserverhältnissen im Strelasund geschuldet gewesen.

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Der Gellenstrom war über Jahrhunderte die Hauptverkehrsader über See zum Hafen Stralsund. Ein Leuchtfeuer, die sogenannte Luchte, war bereits 1306 auf der Südspitze von Hiddensee errichtet worden. Der Durchbruch zwischen Hiddensee und dem Darß war der Natur und dem Versanden über Jahrhunderte schutzlos ausgesetzt, bevor Ende des 18. Jhdt. die Unterhaltung einsetzte und ab 1835 der erste Dampfbagger zum Einsatz kam. 1629 ist zufällig verzeichnet, dass der Gellenstrom zwischen 6 und 7 Fuß tief sei. Die Kogge des 13. Jhdt. in der Größe von 100 – 230 t Tragfähigkeit und mit 2,70 m Tiefgang im voll beladenen Zustand oder auch nur im geleichterten Zustand mit 2 m Tiefgang hätte nicht einmal als „Schlickrutscher“ diese Zufahrt passieren können. Unbesehen dessen zählte die Stralsunder Handelsflotte um 1630 etwa einhundert Segler verschiedenster Typen und mit bis zu 200 t Tragfähigkeit (Rahsegler zum Beispiel).

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Um 1790 begann man mit der Baggerung, aber 1820 stoppte die preußische Regierung solche Arbeiten und der Gellenstrom versandete wieder. Schweden stellte 1826 deshalb auch den Postschiffverkehr nach Stralsund wieder ein „wegen Verwilderung des Gellenfahrwassers“ und lief Greifswald an. Ab 1835 kam ein Dampfbagger zum Einsatz und das Navigieren der Schiffe durch die Nordansteuerung wurde erleichtert. Die Ostansteuerung soll angeblich auch schon ab 1304 nach einer sogenannten „Allerheiligenflut“ befahrbar gewesen sein, war allerdings schwieriger zu navigieren und außerdem viel länger als die Nordansteuerung.​

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Kehren wir nach diesem Exkurs in die Neuzeit über die Zugänglichkeit Stralsunds von der Wasserseite aus zurück zum Schiffbau der frühen Jahre. Was für Lübeck, Stettin, Danzig und andere Hansestädte zutraf, dass ihre Kaufleute und Reeder den Schiffsbedarf durch den Bau vor Ort zum Teil decken konnten oder wie Danzig um 1450 auch noch für fremde Rechnung bauten, lässt sich für Stralsund trotz seiner gewichtigen Stellung in der Hanse nicht nachweisen. Die ältesten Stralsunder Stadtsiegel (1265 mit Schiffsmotiv, 1278 und 1301 jeweils mit Kogge) sind Indiz für Seefahrt und Seehandel und lassen nicht auf Schiffbau vor Ort schließen. Schiffbauhistorisch allerdings erbringen sie den Nachweis über die frühzeitige Einführung des Heckruders. Das am Achtersteven eingehängte Ruderblatt war eine gravierende Weiterentwicklung im Schiffbau.

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Das Schiffbauhandwerk in den Stralsunder Werften auf der Lastadie vor den Toren der Stadt, am Strelasund in der Gegend der Frankenvorstadt und auf dem Dänholm erlebte bis ins 20. Jhdt. ein ständiges Auf und Ab, merklicher Aufschwung war aber mehr die Ausnahme. Eine nachhaltig wirtschaftliche Relevanz für Stralsund kann dem Schiffbau bis Mitte des 20. Jhdt. leider nur wenige Zeiträume bescheinigt werden.

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Im Gegensatz zur Handelsschifffahrt - Stralsund hatte lange Zeit mehr Segler beheimatet als z. B. Hamburg oder Bremen - wirkten sich Ereignisse und Veränderungen in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas oder Deutschlands nur beschränkt auf den hiesigen Schiffbau aus. Eine Besonderheit dürften die Jahre um die Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775-1783) sowie nach der französischen Revolution gewesen sein. Frankreich als Verbündeter der USA erlitt erst durch die Seekriegshandlungen gegen England und dann durch die Verteidigung seiner jungen Republik eine Stagnation der traditionellen Getreideausfuhr nach England, Holland, Spanien und in Mittelmeerregionen.

 

Das schwedische Vorpommern mit Rügen fasste in diesem Exportgeschäft schnell Fuß. Die Impulse auf die Schiffbautätigkeit blieben nicht aus und für die Jahre von 1790 bis 1800 sind etwa einhundert Stapelläufe in Stralsund verzeichnet. Freiherr von Reichenbach, deutsch-schwedischer Finanzbeamter und Landesdirektor der königlichen Domänen, vermerkte treffend, „dass bei der Schiffahrt ansehnlich verdient wurde und der Schiffbau außerordentlich zunahm“, indem Schiffe mittlerer Größe veräußert und stattdessen größere von mehr Festigkeit und Güte im Segeln in Menge gebaut wurden. Von den 1783 in Stralsund beheimateten siebenundfünfzig Seglern dürfte damit ein erheblicher Teil ersetzt worden sein.

 

Als bekannter Schiffbauplatz galt seinerzeit die Werft von Cornelius. Größte Segler im Bauprogramm waren wohl Brigantine, Galeasse und Galiot, die um 1750 im Ostseeraum verstärkt auftretenden Frachtsegler, gefolgt von Schmacken und Kreyern. Bei den Eignern der Schiffe gab es auch einen Wandel. Neben Stralsunder Schippern und Bestellern von weit außerhalb traten jetzt auch Rüganer Dorfschiffer und Kapitäne als Schiffseigner auf.

 

Abgesehen von solch kurzen Belebungen waren eher Rückgänge und Stagnation über größere Zeitfenster zu verzeichnen. Auch die großen Zahlen der in Stralsund registrierten Schiffe (zum Beispiel 219 Segelschiffe im Jahr 1879) sind nicht unbedingt als Nachweis einer lebhaften Schiffbautätigkeit anzusehen, da stets nur ein Teil davon hier gebaut war. Die siebzehn verzeichneten Stapelläufe von Segelschiffen im Jahr 1857 oder von zwanzig Seglern in 1862 waren ein weiteres kurzes Zwischenspiel.

 

Neben englischen und niederländischen Werften spielten jene an der Elbe und Weser sowie in Rostock, Barth, Greifswald, Seedorf und auch in Ostpreußen eine größere Rolle als die einheimischen am Strelasund ab Mitte des 19. Jhdt. Der technische Fortschritt im Schiffbau mit seinen epochalen Erfindungen (Dampfantrieb, Eisenschiff usw.) wurde in der Region noch lange nur mit Staunen betrachtet. Weder erteilte ein Reeder einen Auftrag zum Bau eines so modernen Schiffes noch war ein Stralsunder Schiffbaumeister mit seinem Handwerksbetrieb in der Lage, ein solches Vorhaben zu realisieren.

 

Der 1840 von Stralsunder Kaufleuten und Reedern gegründete Dampf-Schiffahrts-Verein bildete allerdings eine Ausnahme. Der vom Verein in Auftrag gegebene und am 24. Mai 1841 in den Stralsunder Hafen eingelaufene kleine Raddampfer aus Holz und mit fünfundfünfzig PS Leistung der Dampfmaschine wurde aber in Newcastle und nicht in Stralsund gebaut. Die „Stralsund“ wurde als Bugsierschiff, aber auch als Vergnügungsschiff eingesetzt.

Bedingt durch eine konservative Wirtschaftsorientierung, Rohstoffarmut, Marktferne und ausgeprägte Agrarwirtschaft verlief der Übergang von gewerblicher Wirtschaft zu industrieller Produktion in Vorpommern sehr verzögert. Von den Anfängen eines industriellen Schiffbaus in Stralsund kann man frühestens ab 1922 auf der Werft von Georg Schuldt respektive 1930 auf der Schiffswerft von Otto Fröhling sprechen.

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Betrachten wir den Stralsunder Schiffbau in einigen Phasen etwas genauer.

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Die Chroniken berichten bereits um 1280 über Stralsunder Schiffe in England, Flandern und Nowgorod. 1294 sollen 7 Stralsunder Schiffe in Ravensworth in England gelegen haben. Erstmalig tauchen um 1300 Hinweise auf sogenannte „Botmaker“ in Stralsund auf und 1303 werden in einem englischen Hafendokument Koggen aus Stralsund sogar namentlich erwähnt: Skinkevin und Stultenberg. Namen wie Heiliger Geist und Marienknecht tauchen 1381 auf. Für das gleiche Jahr ist festgehalten, dass vor dem Dornbusch englische Schiffe ihre Ladung auf Stralsunder Schuten abgeben.

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1399 werden auf der Lastadie sechzehn Stapelplätze gezählt, im Jahr 1411 elf, im Jahr 1421 dreizehn und 1428 sollen es sogar einundzwanzig gewesen sein. Die Stadt hatte jene Areale verpachtet oder verkauft an selbständige Schiffbauer, die sogenannten „cimbifices“, die als Unternehmer das Schiffbaugewerbe betrieben. Ein Johannes Keding und ein Andreas Kannemaker, beide mit dem Titel „dominus“ im Kämmereibuch geführt und folglich Standespersonen und keine Handwerksmeister, repräsentieren sozusagen schon frühzeitig die Form einer Manufaktur. Kedings Bauplatz war 1393 der kleinste von den acht in Stralsund. 1421 verfügte er aber schon über drei „Werften“ und war damit einer der größten Schiffbauer. Neben dem Eigentum an Grund und Boden und der technischen Ausrüstung des Bauplatzes musste ein solcher Schiffbauer auch über entsprechendes Kapital verfügen zum Kauf des Baumaterials. Und schließlich mussten, auch in Abhängigkeit von den Schiffsgrößen, die eigentlichen Handwerker für den Bau des Schiffes eingestellt und belohnt werden.

 

Dies alles bestätigt zwar ein Schiffbauhandwerk vor den Toren der Stadt, lässt jedoch keine Schlussfolgerungen auf dessen Bedeutsamkeit oder gar Größe und Aussehen der Fahrzeuge zu. Prähme und Schuten oder Schnicken dürften eher gebaut worden sein als Großschiffe wie die Kogge. Jene war aber kein Standardschiff mit festen Abmessungen oder bestimmten Erscheinungsbild. Wie durch Schiffsfunde vor der deutschen als auch dänischen Küste nachzuweisen ist, hatte das frühe Hanseschiff Abmessungen L x B x T = (14,5 bis 21) x (4,0 bis 6,5) x (1,0 bis 1,5) m. Der Bau von Koggen der kleineren Dimension dürfte also durchaus stattgefunden haben. Neben den eingeschränkten Fahrwasserverhältnissen spielte sicher auch der Platz für Schiffbauwerke eine Rolle. Große Koggen wie die „Wissemara“ (Replika der Poehler Kogge von 1369) mit einer Breite von 9,32 m auf einundzwanzig Bauplätzen zu fertigen, wie sie für die Zeit um 1400 vor den Toren der Stadt gezählt werden, dürfte ebenfalls nicht durchführbar gewesen sein. Eine Baufläche von ca. 250 m Länge auf der Lastadie für diese Werften ist nur schwer vorstellbar.

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Mitte des 16. Jhdt. muss das Schiffbauhandwerk keinen anderen Stellenwert gehabt haben als das der anderen Berufsstände, denn erst 1565 erstritten die Schiffbauer gegenüber dem Stralsunder Rat ein Amt. Diesem Zusammenschluss, vergleichbar mit einer Zunft, verlieh der Rat dann eine Ordnung mit Empfehlungen für ein „erträgliches Arbeiten“ miteinander. Dies lässt durchaus darauf schließen, dass die „Auftragslage“ für alle im Schiffbaugewerbe Tätigen nicht ausreichend war. Die Flotte Stralsunder Schiffe zählte 1588 sechzig bis siebzig Fahrzeuge.

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Die Kriege in den dreißig Jahren von 1618 bis 1648 verhinderten einen nennenswerten Schiffbau, der auch in den kurzen Friedenszeiten nicht auflebte. Daher ist bemerkenswert, dass die Stadt 1628 Land an der Lastadie zum Zwecke des Errichtens von Schiffbauplätzen verpachtete. Die nahe des Heilgeistklosters gelegenen Schiffbauplätze hat man dann 1629 in den Bereich zwischen Fähr- und Semlower Tor verlegt. Der Ausbau der Verteidigungsanlagen der Stadt und die Abwehr des Wallensteinschen Heeres in diesem Jahr ließen mit Sicherheit keinen Raum für den Bau von Schiffen. Anfänglich begnügte man sich nur mit Reparaturaufträgen und erst 1639 erfolgten die Stapelläufe von zwei Schiffen von je 30 t Last. Bis 1647 wurden dann einunddreißig Schiffe mit durchschnittlich je 28 t Last vom Stapel gelassen, nur drei davon mit etwa 60 t Last.

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Die „Spezifikation dehr bei der Statt verhandenen Schiffe“ aus dem Jahr 1646 (Stadtarchiv Stralsund, Rep. 15, Nr. 214) gibt einen sehr guten Überblick über die Stralsunder Flotte, die aus sechsundneunzig seetüchtigen Schiffen mit 7 verschiedenen Typen bestand. Diese Auflistung spiegelt hervorragend die Mitte des 17. Jhdt. im südlichen Ostseeraum vorwiegend in der Küstenfahrt verwendeten Schiffstypen wider. Damit lässt sich auch die Frage beantworten, welche Schiffstypen im Bauprogramm der Stralsunder Werften eine Rolle gespielt haben dürften. Die Schute (20 t) ist zweiundfünfzigmal vertreten, gefolgt vom „Schiff“ (55- 100 t) mit einundzwanzig Vertretern und 5 Kraiern (28-36 t) sowie 5 Bojern (8-20 t). An kleineren Fahrzeugen werden genannt 8 Schmacken (4-10 t), eine Galioth (9 t) und 4 Boote zum Leichtern auf Reede. Die einundzwanzig „Schiffe“, das größte davon mit 100 t, waren in der großen Fahrt unterwegs.

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Durch den Allianzvertrag von 1628 bereits mit Schweden liiert, fiel Stralsund mit dem Westfälischen Frieden von 1648 endgültig an Schweden. Auch unter der neuen Herrschaft gab es nur eine allmähliche Zunahme von Schiffbauaktivitäten. Vorpommern mit Stralsund hatte für das schwedische Königreich mehr strategische als wirtschaftliche Bedeutung und die Stadt als schwedischer Vorposten war folglich oft in langjährige militärische Konflikte verwickelt. Dies sollte im Wesentlichen über die gesamte „Schwedenzeit“ (1648-1815) so bleiben. Im Jahr 1673 betrug der Schiffsbestand Stralsunds nur noch dreiundsiebzig Fahrzeuge, überwiegend Schuten mit kaum mehr als 50 t Last. Fünfzehn der Schuten trugen den Namen „FORTUNA“ und 12-mal war der Name „HOFFNUNG“ vergeben. Im Oktober 1678 ließ der brandenburgische Kurfürst die Stadt bombardieren und besonders der südliche Teil wurde stark zerstört. Schon 1677 hatte sich dieser Konflikt abgezeichnet, so dass Stralsund Bauten außerhalb der Bastionen im Zuge der Verteidigungsvorbereitungen abbrechen ließ. Das alles waren keine günstigen Voraussetzungen für einen Bau von Schiffen, deren Bauplätze genau in diesem Gebiet angenommen werden müssen. Eine erneute Zerstörung großer Teile der Stadt erfolgte bereits zwei Jahre später durch einen verheerenden Stadtbrand.

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Die Ereignisse und der Wiederaufbau der Stadt belasteten Stralsunds Wirtschaftspotential schwer. Schifffahrt und Schiffshandwerk erlitten wie alle anderen Gewerbe einen tiefen Einschnitt. Im Jahr 1685 waren in Stralsund nur achtunddreißig Schiffe registriert. Bis 1690 wurde lediglich nur ein Schiff gebaut., besser gesagt eine Schute bei Mathias Möller mit einer Länge von 31 Ellen (ca. 19 m). Unter den Zünften in Stralsund finden um die Jahrhundertwende 1690-1720 Schiffszimmerer keine Erwähnung. Die Nordischen Kriege und besonders der Große Nordische Krieg von 1700-1721 trugen sicherlich zu dieser Entwicklung mit bei, zumal Stralsund an Schweden gebunden war und vorübergehend von 1715-1720 an Dänemark fiel.

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Die politisch-wirtschaftlichen Veränderungen in Europa ließen Vorpommern und damit auch Stralsund ins Abseits geraten, was den Schiffbau betreffend bis in die Anfangsjahre des 19. Jhdt. wirken sollte. Vereinzelt sind Phasen des Auflebens verzeichnet, wie um 1700 mit einigen Neubauten für die schwedische Admiralität oder ab 1791 verursacht durch den Getreideexport und in den 1860ger Jahren.

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In Beiträgen zur regionalen Schiffbaugeschichte fand ein Ereignis aus der Schwedenzeit Stralsunds bisher kaum die gebührende Beachtung. In der Zeit von 1760 bis 1762 wirkte der berühmte schwedische Schiffbaumeister Fredrik Henrik Chapman (1721-1808) in der Stadt. 1772 wurde er geadelt und ist seitdem als F. H. af Chapman bekannt. Er gilt als einer der ersten Schiffbauingenieure überhaupt - ging er doch an den Entwurf eines Schiffes systematisch und mit mathematischen Ansätzen heran. 1768 veröffentlichte er sein viel beachtetes Werk „Architectura Navalis Mercatoria“. Erstmalig sind hier Schiffszeichnungen und besonders die gestrakten Linienrisse verschiedener zeitgenössischer Schiffstypen detailliert dargestellt.

 

1756 war der siebenjährige Krieg ausgebrochen und schwedisch Vorpommern mit Stralsund stellte gegen Preußen einen wichtigen militärischen Brückenkopf dar. 1757 verstärkte Schweden die Garnision in Stralsund durch die Stationierung eines „Pommerngeschwaders“, von dem aber nur die kleineren Halbgaleeren (Länge 22 m, 14 Ruderpaare, Bewaffnung ein 6-Pfünder, 4 Drehbassen) in Stralsund direkt stationiert gewesen sein sollen. In der Seeschlacht am 10. September 1759 im Oderhaff hatte die kleine preußische Flotte mit ihren Seekähnen und Galioten gegen die Schweden keine Chance. Der Bestand des Pommerngeschwaders umfasste Prahme, Galeeren und Fregatten aus der Schärenflotte der schwedischen Armee. Sie waren alle für geringen Tiefgang gebaut und konnten auch gerudert werden, erfüllten die an sie gestellten Erwartungen in den kriegerischen Auseinandersetzungen aber nur zum Teil.

 

Im Zuge all dieser Ereignisse wurde Chapman von der Stockholmer Marinewerft für zwei Jahre nach Stralsund „versetzt“ mit dem Auftrag, gemeinsam mit dem Befehlshaber Augustin Ehrensvärd verbesserte Schiffe für die Schärenflotte zu konstruieren und zu bauen. In den späteren Russich-Schwedischen Kriegen 1788-1790/1808-1809 bewährten sich diese kleinen Kriegsschiffe dann bestens. Das Ergebnis der Arbeit von Chapman waren die Entwürfe von vier Klassen einer neuen Schärenfregatte, die in unterschiedlicher Stückzahl bis Ende der 1770ger Jahre auf schwedischen Werften gebaut wurden: Hemmema, Pojama, Turuma und Udema. Vollständige Klarheit, weshalb Chapman nach Stralsund ging und diese speziellen Arbeiten hier ausgeführt haben soll, ist noch nicht erreicht. Drei Schiffe allerdings sollen auch in Stralsund gebaut worden sein: vom Typ Pojama (24-28 m) eine „GAMLA POJAMA“ (Alte Pojama) im Jahr 1760 mit 20 m Länge, 14 Ruderbänken und einem 6-Pfünder Geschütz; vom Typ Turuma (35-39 m) eine „NORDEN“ von 1761 mit 34,4 m Länge, 2,20 m Tiefgang,16 Ruderpaaren und zweiundzwanzig 12-Pfündern; vom Typ Udema (36 m Länge, 3,10 m Tiefgang) eine „GAMLA UDEMA“ (Alte Udema) oder „UUSIMAA“ (?) im Jahr 1760 mit 30 m Länge, 1,5 m Tiefgang, 14 Ruderpaaren und zehn 12-Pfündern.

 

Diese 3 Schiffe werden jeweils als erste ihrer Klasse aufgeführt, wurden schon 1760 gebaut, als Chapman seine Tätigkeit gerade aufnahm, und sind kleiner und schwächer bewaffnet als alle ihre in Schweden gefertigten Nachfolgebauten. Letztere sind so eher als die Typenvertreter der 4 Klassen zu verstehen. Es bleibt zu klären, auf welcher Werft um 1760 die 3 Kriegsschiffe gebaut wurden. Oder betrieb die schwedische Armee, der die Schärenflotte unterstand, einen eigenen Bauplatz in Stralsund? Chapman findet als Schiffbaumeister in Stralsund zumindest von außerhalb Erwähnung. Bei ihm sollen Zimmerleute aus Bartelshagen in die Kunst des Schiffbaus eingeweiht worden sein. Darunter befand sich ein Nicolaus Dierling, der um 1764 in Damgarten einen kleinen Schiffbauplatz übernahm. Die Werft entwickelte sich bis in die dritte Generation sehr erfolgreich, musste aber 1880 mit dem Niedergang der Segelschifffahrt schließen.

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Die Anfangsjahre des 19. Jhdt. brachten keinen nennenswerten Fortschritt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Schwedisch-Pommern mit Rügen war im Oktober 1815 von den Schweden „entlassen“ worden und Stralsund gehörte nun zum preußischen Königreich. Über zwei Jahrzehnte blieben die Bauplätze vor den Toren der Stadt weiterhin leer – bis auf ein bemerkenswertes Ereignis im Jahr 1816. Mit der Abtretung Vorpommerns an Preußen mussten die Schweden auch noch sechs Kanonenschaluppen ausliefern, die den Beginn einer preußischen Marine verkörperten. Die Fahrzeuge waren allerdings seeuntüchtig und genügten gerade mal der Küstenverteidigung. Der schwedische Marinehauptmann Christian Dietrich Longe trat dabei gleich mit in preußische Dienste.

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Seinem Betreiben ist es zu verdanken, dass im Juni 1816 bei der Werft J. A. Meyer ein bewaffneter hölzerne Schoner auf Kiel gelegt wurde, dem dann am 28. November 1816 zum Stapellauf der Name „Stralsund“ verliehen wurde. Die Entscheidung für diesen Schiffsnamen hatte das preußische Kriegsministerium bereits im September des Jahres getroffen.

 

Der Bootskörper aus Eichenholz war kraweel beplankt und hatte ein Heckruder. Der Stapellauf wurde zum Anlass genommen, die preußische Kriegsflagge aus der Taufe zu heben. Den Bau beaufsichtigte der erste preußische Marineschiffbaumeister Gäde.

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Es war der erste Schiffsneubau der preußischen Kriegsmarine und die Kosten beliefen sich auf 10 400 Taler. Er sollte Teil einer schnell segelnden „Schunerflotte“ werden, blieb nach seiner Indienststellung am 12. Februar 1817 wegen Geldmangels jedoch der einzige „armselige Schuner“ der jungen preußischen Marine. Er war 71 Fuß lang, bestückt mit 2 x 24-Pfündern und 8 x 12-Pfündern und konnte außerdem gerudert werden. 1817 sollte seine große Stunde schlagen. Er wurde als Konvoischiff ausgerüstet für einen Nordseeeinsatz gegen eine angeblich dort kreuzende tunesische Freibeuterkorvette. Diese Aktion erübrigte sich aber sogleich wegen falschen Alarms. Die vierwöchige Probefahrt von Stralsund nach Memel und zurück vom Mai bis Juni 1817 war die einzige Seereise des Schoners. Überhaupt stellte er sich als wenig tauglich für seine vorgesehenen Aufgaben heraus, war kaum bewegt worden und letztlich auch noch angefault. Nach Streichung aus der Liste der Kriegsschiffe am 17. Oktober 1829 wurde er dann einen Monat später für 1585 Taler verkauft und in Stralsund abgewrackt. Die Kosten einer Reparatur hätten vermutlich so hoch gelegen wie für einen Neubau.

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Für den weiteren, wenn auch bescheidenen, Aufbau der preußischen Kriegsflotte, hatten die Stralsunder bis 1848 kein Schiff bauen können. Der preußische Kommandant von Stralsund, General von Engelbrechten, forderte seinerzeit die Schaffung einer Kronwerft in Stralsund und den vorläufigen Bau von jährlich 4 neuen Schonern; weder dem einen noch dem anderen wurde stattgegeben. Die erste preußische Kriegsschiffswerft wurde dann 1848 in Danzig errichtet (Danziger Marinewerft), die allein dem Bau der wenigen preußischen „Kriegsschiffe“ diente. Die deutsche Reichsflotte ab 1848 bestand zudem überwiegend aus angekauften Einheiten aus England und von Nordseewerften.

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1835 existierten 2 Bauplätze auf dem Gelände zwischen dem Fährtor und dem Semlower Tor, zum einen der vom Schiffbaumeister Kasten und der von Erich. Letzterer war in diesem Jahr erst von Greifswald nach Stralsund gekommen. Beide waren wohl mehr mit der Reparatur als mit dem Neubau von Schiffen, abgesehen von Booten und Kähnen, beschäftigt. Die Schiffsbewegungen im Stralsunder Revier dienten in jener Zeit fast ausschließlich der Versorgung der Stadt. Diesen Binnenverkehr gestalteten Jachten, Boote, Logger und Kähne. Immerhin wurde die Hochseeschifffahrt noch begrenzt betrieben. Drei Briggs („CUPIDO“, „FRIEDRICH WILHELM“, „CHRISTINE“) sowie zwei Galeassen („PROVIDENTIA“; „JULIANE“) aus Stralsund waren 1837 mit Getreide nach New Yorck unterwegs.

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​Im August 1838 wurde dann auch in der Stralsunder Wochenzeitung „Sundine“ gefragt, warum hier und jetzt so selten und fast gar nicht mehr ein großes Schiff gebaut wird, wo doch der Stapelplatz früher… von regem… Betrieb erfüllt und von schönen Schiffen… voll gewesen sei ?

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Die Situation änderte sich dann ab 1839 wieder, als der aus Greifswald stammende Schiffbaumeister Joachim Peter Juhl seine Werft auf der Lastadie in Stralsund eröffnete. Er hatte sich bei den Ratsherren mit seinem Antrag für ein Gewerbe zum Bau von Schiffen durchgesetzt und damit die Fesseln der bestehenden, in der Vergangenheit haftenden Zunftordnung gesprengt. Kurz darauf wurden auch die Schiffbaumeister Jacob Nikolaus Kasten und Johann Martin Erich wieder im Neubau tätig und 1844 kam Omar J. Kirchhoff noch dazu. Juhl begann mit dem Bau von drei Schiffen: einer Bark, einer Brigg und einer Jacht. Bei Erich wurden ein Schoner und eine Jacht auf Kiel gelegt und Kasten begann mit dem Bau eines 21 m Rundgatt-Schoners. Für den 23. Mai 1840 ist der Stapellauf eines „großen Schiffes“ bei Juhl auf der Lastadie verzeichnet auf Rechnung des Kapitäns Fahrenberg jun. Im Jahr 1841 fanden bei Juhl, Kasten und Erich insgesamt vier Stapelläufe statt: die Briggs „Mentor“, „Stralsund“, „Industrie„ und „Fidelitas“ schwammen fast vollständig getakelt im Strelasund auf.

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Ansonsten wurden in den nächsten zwei Decennien fast ausschließlich kleinere hölzerne Fahrzeuge verschiedenster Typen für den Küstenverkehr und die Ostsee hergestellt, Reparaturarbeiten durchgeführt sowie auch die Ausrüstung von Seglern aus Ribnitz und Damgarten übernommen. Das Umtakeln von Rahseglern zu Schonerbarken dürfte ebenfalls zu einer Beschäftigung des Handwerks beigetragen haben.

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Als Hinderungsgrund für ein prosperierendes Schiffbaugewerbe in diesen Jahren hatten sich mit der Zeit die beengt gewordenen Platzverhältnisse auf der Lastadie hinsichlich der Nachfrage nach größeren Schiffsabmessungen herausgestellt. So stellte denn Schiffbaumeister F. P. Juhl am 31. Juli 1847 an den Hochwohlgeborenen Rath der Stadt die Bitte, den „Übelständen und Behinderungen des hiesigen Schiffbaues … abzuhelfen gedenken“. Er schlug vor, den Bauplatzbereich zu vergrößern, wogegen die Stadt empfahl, die Werften in die Frankenvorstadt zu verlegen. Stralsund war aber Festung und das Kriegsministerium lehnte dieses Ansinnen erst einmal ab. Am 28. Juli 1850 traf nach mehreren Verhandlungen schließlich die Benachrichtigung des Kriegsministeriums aus Berlin bei der Königlichen Commandantur ein, dass man der Verlegung zum Strand vor der Frankenvorstadt die Genehmigung erteilt.

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Festzuhalten für diese Ära ist da noch der Bau der ersten Ruderkanonenschaluppe für die preußisch deutsche Küstenflotte, die bei Juhl am 10. August 1848 vom Stapel lief und genau 4 Wochen vorher auf Kiel gelegt wurde. Der Oberbefehlshaber der preußisch-deutschen Seestreitkräfte Prinz Adalbert höchst selbst taufte das Boot auf den Namen „Strela-Sund“. Im Mai 1848 gab auf Vorschlag von Prinz Adalbert die preußische Regierung den Bau von achtzehn Kanonenbooten in Auftrag, aber nur das erste davon wurde in Stralsund gebaut. Es wurde aus Spendengeldern der deutschen Bevölkerung finanziert. Auslöser dieser Aktion, an deren Spitze sich die Stadt Stralsund stellte, war eine Marinekampagne für das Erstarken der bedeutungslosen Flotte des deutschen Bundes. Die Stadt erbot sich damit ebenfalls, als Basis der neuen preußischen Flotte ab 1848 zu fungieren. Der preußische Staat kaufte daraufhin die Insel Dänholm, baute sie aus und führte sie bis 1864 als preußischen Kriegsschiffhafen mit kleiner Werft. Bis Frühjahr 1849 waren alle Boote (mittlerweile auf Anzahl sechsunddreißig erhöht) in Dienst gestellt, konnten jedoch bei den Gefechten mit Dänemark im Sommer des Jahres wegen ihrer Schwerfälligkeit keine Wirkung erzielen.

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Mit der Bark EUGEN (358 NRT) für den Stralsunder Reeder G. F. Diekelmann kam es 1853 zu einen der wenigen Großschiffbauten auf der Lastadie. Das Jahr 1854 verzeichnet dann den Bau von siebzehn Schiffen in Stralsund. Für einen höheren Schiffsausstoß zur Erweiterung der Stralsunder Flotte reichten die hiesigen Werftkapazitäten leider nicht aus. So kam es schon 1854 zum Ankauf von 8 Seglern von Werften in Barth, Damgarten und Greifswald. Dieser Trend setzte sich noch in einigen der Jahre bis 1870 fort. 2 Schiffbauwerke sind dabei besonders zu erwähnen. Im August 1854 legten 2 Barken in Stralsund zur Ausrüstung an, die von Ribnitz durch die Boddengewässer bugsiert wurden – allerdings war die eine fast fünf Monate und die andere ein Jahr lang unterwegs. Ursache war die geringe Wassertiefe und das ständige Warten auf Pegeländerung auf dieser kurzen Passage.

 

Eine davon war die Bark ERNST UND ELISE (374 RT / 193 Lasten / L x B = 37,6 x 9,15 m) von der Wilken-Werft in Ribnitz. Es sollten weitere Schiffe nach Stralsund zur Ausrüstung verbracht werden wie die Bark JOHANN DANIEL. Bei der Werft Dierling in Damgarten erfolgte im September 1856 der Stapellauf und erst 9 Monate später im Juni 1857 war die Bark bei einer Stralsunder Werft im Schlepp eines Dampfbootes angekommen. Noch 1876 wurde einer der letzten größeren Neubau-Segler aus Ribnitz aufwendig nach Stralsund geschleppt, in dem wie schon bei der JOHANN DANIEL vorn und achtern auf beiden Bordseiten „Hebepontons“ gezurrt waren. Dafür wurden Jachten oder Schaluppen verwendet, die geflutet mit der Bark verbunden und danach geleichtert wurden.

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1860 kam es dann endlich zur Verlegung der Schiffbauplätze von der Lastadie in die Frankenvorstadt, wo durch Aufschüttungen Gelände dafür geschaffen worden war. Die 5 Schiffbaumeister F. P. Juhl, Carl Wilhelm Mohr, Omar Johannes Kirchhoff, J. N. Kasten und Julius Peuß bekamen dort je 33 m Uferlänge zugesprochen. Peuß stammte aus Poseritz, hatte 1859 seine Werft in Loitz gegründet und verlegte sein Handwerk 1861 hier nach Stralsund. Der Schiffbau nahm nun wieder Fahrt auf und bis 1868 erfolgten neunundachtzig Stapelläufe (2 in 1861, 11 in 1862, 16 in 1863, 12 in 1864, 9 in 1865, 12 in 1866, 14 in 1867 und 13 in 1868). Dieses Bauprogramm beinhaltete Schaluppen, Jachten, Rahschoner und die Galeasse, den Mitte des 19. Jhdt. am meisten eingesetzten Kleinsegler auf der Ostsee, dagegen weniger Barken.

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Einer der Dreimaster war die Bark „MATADOR“ von 1863, die 1881 im Atlantik verloren ging. Mit ihren Abmessungen L x B x T = 35,1 x 7,6 x 5,18 m war sie mit 420 NRT vermessen. Ein Vorgang vom September 1867 muss erwähnt werden, gibt er doch einen interessanten Einblick in das Geschehen jener Zeiten. Carl Wilhelm Mohr stellte einen Antrag an den Rat der Stadt, die Kielrinne für den Ablauf seines im Bau befindlichen Barkschiffes „auf 15 Fuß auszubaggern. Früher hätte er auf der selben Helling nur Schonerschiffe gebaut, die nur für 13 Fuß gemacht waren“.

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Über Aufträge zum Bau von Fahrzeugen für die Marine ist nichts bekannt. Auch die Bildung des Kanonenboot-Flottillenkommandos in Stralsund 1864 hatte keine Beziehung zum hiesigen Schiffbau. Die zwischen 1859 und 1861 gebauten K-Boote kamen aus Danzig oder von Privatwerften an der Ostseeküste. Eine Stralsunder Werft wäre zu jener Zeit auch nicht in der Lage gewesen, Dampfmaschinenantrieb einzubauen.

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Der Neubeginn in der Frankenvorstadt war hoffnungsvoll, aber gemessen an der Bautätigkeit zum Beispiel in Rostock, Barth, Damgarten oder Ribnitz relativ bescheiden. Es sei hier nur erwähnt, dass in den Boddenwerften von Ribnitz bis Barth in der Zeit von 1780 bis 1900 über neunhundert Schiffe gebaut wurden, darunter 126 Barken, 214 Briggen, 207 Rahschoner , 125 Galeassen und 45 Gaffelschoner. Von solch ausgeprägter Bautätigkeit war auf den Stralsunder Werften nichts Gleichwertiges zu vermelden. An den Einsatz von Eisen als Werkstoff für den Schiffskörper dachten die Stralsunder Schiffbaumeister ab Mitte 19. Jhdt. ebenfalls noch nicht.

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1864 verfasste die Stralsunder Kaufmannschaft eine Denkschrift an den preußischen Staat (Zitat):“Der Verfall Stralsunds ist kein Geheimnis, sondern eine amtlich feststehende Tatsache…Zur Wiederherstellung der Stralsunder Wirtschaft schlagen wir vor - Vergrößerung der Schiffswerfte, und zwar mit Rücksicht auf den Bau eisener Schiffe, ferner die Bewilligung von Prämien für die besten Schiffsformen und besten Segler, welche auf hiesiger Werft zur Ausführung gelangen…“

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Ein Aufschwung blieb indes aus und der Rückgang des Schiffbaus ließ sich ab 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg nicht mehr aufhalten. Den rückläufigen Bedarf an Segelschiffsraum deckten Stralsunder Reeder durch „pommersche Aufträge“ nach Ribnitz, Rostock oder an die Nordsee. Für 1873 zählte man zwar noch elf Stapelläufe, für 1877 aber nur noch zwei. Der Bau eines größeren Seglers wie der Bark „F.H. DREWS“ (1871, 400 t) für Kapitän Vorsatz, der Bark „DIE GARTENLAUBE“ (1872 bei O. Kirchhoff für Reeder Schröder, Capitain J. F. Krüger, Länge ca. 42 m), der Brigg „EMILIE“ (1875 bei Juhl für den Korrespondenreeder H. I. Juhl, 215 NRT) oder der Bark „EUGEN“ (1876 bei O. Kirchhoff für den Stralsunder Reeder Eugen Diekelmann, 760 NRT) kam nur noch vereinzelt vor. Die Peuß`sche Werft lieferte 1879 ihr letztes Schiff „HEDWIG“ nach Schaprode an Klickow und stellte dann den Betrieb ein. Julius Peuß beendete seine Schiffbauerlaufbahn als Meister auf der Königlichen Werft (Kronhof). Mit Ausnahme des Gaffelschoners „JOHANNA“ bei C. W. Mohr (1889) für Korrespondentenreeder Zeits & Kindt fand in Stralsund ab 1889 bis auf sehr lange Zeit kein Stapellauf eines Kauffahrteischiffes mehr statt. Die „JOHANNA“ war gleichzeitig der letzte in Stralsund gebaute Segler aus Holz.

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Im Zeitraum von der Neugestaltung der Stralsunder Werften 1861 am Frankenufer des Strelasunds bis zur Aufgabe des Schiffbaus 1889, mit Ausnahme der Kirchhoffschen Werft, wurden auf den fünf Werften insgesamt 166 Schiffe gebaut. Die Fahrzeugtypen waren folgende: 25 Barken, 21 Briggs, 13 Dreimastrahschoner, 84 Schoner und 23 Jachten und Schlups.

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Gravierenden Einfluss auf das „Sterben“ der Seeschifffahrt mit Seglern im Getreidetransport und somit auf den stagnierenden Bau von Frachtseglern hatten schließlich auch die Bismarckschen Schutzzoll-Gesetze von 1879. Der Getreidetransport über See, bisher Lebensader auch für viele der ansässigen Segelschiffsreedereien, erlitt dadurch einen starken Einbruch. Die Auswirkungen auf den Schiffbau ließen nicht auf sich warten – die Neubauaufträge für die heimischen Werften gingen unmittelbar zurück. Den Niedergang der Stralsunder Segelschiff-Flotte widerspiegeln folgende Zahlen der in Stralsund registrierten Schiffe: noch 219 Segler in 1879, 134 Segler in 1885, aber nur noch 35 Segler in 1895.

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Mit der Entwicklung des Dampfschiffbaus, der von einem verstärkten Einsatz von Eisen im Schiffskörperbau begleitet wurde, sowie infolge der rapiden Industrialisierung war der Niedergang der Segelschifffahrt endgültig eingeläutet. Die Stralsunder Werften und Schifffahrtsbetreiber konnten den Zeichen der Zeit einfach nicht mehr folgen. Auch die geografische Lage der Stadt mit ihren verkehrstechnisch zurück gebliebenen Anbindungen von Straße und Eisenbahn an die neuen Industriezentren im Binnenland wirkte sich in diesen Zeiten des technischen Fortschritts negativ aus. Nicht zuletzt wurde es für die Schifffahrt immer schwieriger, mit den größer werdenden Handelsschiffen über die Nordansteuerung oder den Strelasund mit ihren begrenzten Fahrwassertiefen den Stadthafen anzulaufen.

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Um 1880 waren die Werften J. N. Kasten, J. P. Juhl, C. W. Mohr, J. Peuß, J. A. Meyer, J. H. Erich und Dienstbach alle eingegangen. Auf dem Gelände der alten Werften in der Frankenvorstadt am Ziegelgraben wurde 1882 der Hafenbahnhof mit der Trajektanlage nach Altefähr erbaut. Der Schiffbau kam zwar nicht ganz zum Erliegen, war jedoch mit der verbliebenen „Werftkapazität“ in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht und konnte fast nur noch als Bootsbau, denn als Schiffbau bezeichnet werden.

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Lediglich O. Kirchhoff Nachfolger überlebte als einziger Werftbetrieb diese Zeiten, soll nur noch Rettungsboote gebaut haben und wurde schließlich an einen Abraham veräußert. Schiff- oder Bootsbauaktivitäten sind aber nicht bekannt. Jener wiederum verkaufte den Besitz um 1912 an Georg Schuldt. Dieser konnte allerdings erst gegen Ende des Ersten Weltkriegs ab 1917/18 mit einer Neubautätigkeit starten. Die Werftanlagen umfassten drei Helgen mit bis zu 45 m Länge. Im September 1917 lief hier der Dreimast-Gaffelschoner „KEHRWIEDER“ vom Stapel. Er war das erste aus Eisen gebaute Schiff einer Stralsunder Werft, 30 m lang und 135 BRT groß.

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Die Übergabe an den Eigner, Kapitän Erich Klähn aus Bresewitz, erfolgte im März 1918. Inzwischen als Georg Schuldt Schiffswerft eingetragen, lieferte Schuldt im Mai 1924 an einen Hamburger Reeder die Bark „ELBNYMPHE“ ab, den vermutlich letzten in Stralsund gebauten Großsegler (548 BRT). Eine Barkentine gleicher Größenordnung wurde schon im November 1923 fertig gestellt.

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Das Bauprogramm von 1918 bis zum Konkurs 1928 umfasste drei Minenräumboote für die Kriegsmarine, drei Dreimastschoner (230-277 BRT), Technische Fahrzeuge, Lotsenboote und sieben kleine Passagier-Motorschiffe. â€‹â€‹Mitte 1928 pachtete Otto Fröhling die Konkurshinterlassenschaft von der Stadt Stralsund und eröffnete seinen Werftbetrieb, in dem er nur in den ersten zwei Jahren sechs Schiffe bauen konnte.

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Der Motorschoner „STRALSUND“ (362 BRT, 500 t) für Hamburger Rechnung war Anfang 1930 übergeben worden und später verschollen. 1930 stellte Fröhling den Betrieb ein und 1937 kündigte die Stadt den Pachtvertrag. Das ehemalige Werftgelände wurde dem städtischen Kraftwerk zugeschlagen.

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Die kleine Werft Albert Dornquast & Sohn auf dem nördlichen Dänholm (links des Rügendamms am Ziegelgraben) war 1937 gegründet worden und hatte bis in die 1940ger Jahre mit Bootsbau und Reparaturen lediglich Kunden aus der Region bedient. In den Jahren des II. Weltkrieges kamen Leistungen für die deutsche Kriegsmarine und Luftwaffe dazu. Mit der Enteignung 1945 ging der Betrieb als Stadtwerft GmbH an die Stadt Stralsund und wurde im August 1946 in landeseigene Verwaltung überführt.

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​Auf Befehl der SMAD sollten dann ab 1947 gehobene Schiffe repariert und kleine Schiffe im Rahmen des Reparationsprogrammes für die UdSSR gebaut werden. Für diese Neubauten waren Holzkutter anvisiert. Mangels fehlender Voraussetzungen an technischer Ausrüstung und Personal (1946 nur sechzig Beschäftigte) wurde weder das eine noch das andere wie geplant umgesetzt. Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ der Kriegsmarine wurde nach seiner Bergung im Strelasund hier soweit schwimmfähig gemacht, dass es nach Rostock zur Neptunwerft überführt werden konnte.

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Mit dem Bau der beiden ersten 17m-Holzkutter Typ D wurde hier noch begonnen, die Fertigstellung erfolgte 1948 dann aber auf der Volkswerft wie auch der Bau der weiteren 17m-Kutter. Im Frühjahr 1948 erfolgte eine Zusammenlegung mit der Landeseigenen Bergungskontor GmbH zum VEB Schiffsbergung, Reparatur- und Schiffbauwerk Stralsund. Zur Kernproduktion entwickelte sich rasch die Endausrüstung und Ablieferung von Fahrzeugen an die UdSSR, die auf den Binnenwerften in Magdeburg, Roßlau, Brandenburg und Boizenburg gebaut waren. Die Palette umfasste Seiner, Logger und Kühllogger, Schlepper, kleine Gefrierschiffe, Kutter und Schwimmkrane.

 

Heute kaum vorstellbar, dass Anfang der 1950ger Jahre bis zu 1000 Personen auf dem Gelände beschäftigt gewesen sein sollen. Die nächste Umstrukturierung ließ nicht lange auf sich warten. Im Mai 1951 kam es zur Fusionierung mit der Staatswerft, woraus der VEB Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund mit den Werken A und B hervorging mit der Geschäftsadresse Ziegelstraße gegenüber dem Rügendammbahnhof. Werk A, die alte Dornquast Werft mit den zwei kleinen Slipanlagen, wurde Mitte der 1950ger Jahre aufgegeben, nachdem auch noch Hochwasser den Anlagen zugesetzt hatte. Das Gelände übernahm dann die 1956 gegründete Fischereiproduktionsgenossenschaft (FPG) „Strelasund“ und die neu gebaute Kaianlage lässt von der Werft nichts mehr erkennen.

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Die Staatswerft am Ziegelgraben, gleich links der Auffahrt zur Brücke gelegen, ist ein weiterer Werftbetrieb am Strelasund, in dem von 1857 bis 1951 Schiffbau typische Arbeiten durchgeführt wurde. Preußen hatte die Unterhaltung von Kanälen und Fahrwassern unter staatliche Kontrolle gestellt. Für das Vorhalten der Technik zur Erfüllung aller damit verbundenen Aufgaben war 1857 ein Bauhof angelegt worden. Ab 1880 verwaltete ihn die Preußisch Königliche Wasserbauinspektion und 1900 nannte sich die Anlage Königlicher Bauhof. In Stralsund wurde er fort an nur als Kronhof bezeichnet.

 

Mit der Weimarer Republik wurde dann der Betrieb ab 1918 als Staatswerft geführt. Auf dem im Oktober 1944 bei der Bombardierung Stralsunds stark zerstörten Werftgelände wurde unmittelbar nach Kriegsende wieder die Arbeit mit ca. einhundertsiebzig Beschäftigten mit der Reparatur von Schiffswracks aufgenommen. Es erfolgte ein Ausbau der Werftanlage mit Längs- und Querslip für 1000 t Tragkraft und die Lage zum Strelasund ließ durchaus den Bau von kleinen Schiffen bis etwa 40m zu. Im Oktober 1950 wurde hier nach Umbau auch der Dampfer „VORWÄRTS“ an die DSU, dem Vorläufer der DDR-Seereederei, übergeben.

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Wie oben schon erwähnt, kam es am 15. Mai 1951 zur Fusion der Stadtwerft mit der Staatswerft, woraus der VEB Schiffbau- und Reparaturwerft Stralsund hervorging mit den Werken A und B. Die von 1947 bis 1951 ausgeführten Reparaturen von geborgenen Schiffen aus dem Strelasund umfassten Aufträge für das damalige Wasserstraßenhauptamt Rostock.

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In der neuen Wirtschaftsform als VEB SRS war die Reparatur von Schiffen der DDR-Schiff-fahrtsbetriebe (DSR, Binnenreeder, Weiße Flotte) der Haupterwerb, Ein Auftrag zum Neubau von Fischereifahrzeugen, den 26,5m-Stahlkut-tern, ist auch zu verzeichnen, allerdings mussten die Schiffskörper aus Kapazitätsgründen in Kooperation bei der Volkswerft gefertigt werden. Am 1. Januar 1958 erfolgte schließlich die Eingliederung dieses Betriebes in den VEB Volkswerft Stralsund als Bereich Reparaturen. Schiffe der Weißen Flotte Stralsund und des VEB Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei prägten bis 1990 das Bild dieses Werftbereichs und warteten auf ihre Überholung. Nach der politischen Wende nahm hier 1992 die Strahl GmbH ihren Betrieb auf, kann jedoch wegen ihres Produktionsprofils kaum noch zum „traditionellen“ Schiffbau gezählt werden.

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Das Bestehen des kleinen Bootsbaubetriebes Dänholmwerk C.&H. Blad auf dem großen Dänholm währte nur kurze Zeit. Die Firmengründung ging einher mit dem Befehl der SMAD von 1947 zur Ausrichtung der Stadtwerft GmbH. Danach sollten Maschinen und Werkzeuge der Firma Gebr. Blad in Greifswald zur Stadtwerft GmbH in Stralsund umgesetzt oder verpachtet werden. Den Wirren der Zeit geschuldet kam es anders: die Brüder Blad begannen im Mai 1947 selbständig mit dem Bootsbau auf dem Dänholm. Sie nutzten dafür die am kleinen Dänholmhafen gelegenen alten Kanonenbootsschuppen der ehemaligen preußischen Kriegsmarine aus dem Jahr 1850. Außer einigen Ruderkähnen legten sie fünf 17m-Kutter Typ D und einen Kutter Typ G auf Kiel. Die Schiffe liefen zwischen August 1949 und März 1951 dort vom Stapel, wurden aber mit Ausnahme des Typ G (in Greifswald fertig gestellt) auf der Volkswerft ausgebaut und alle an die VVB Fischwirtschaft Saßnitz übergeben.

 

Am 1. Juli 1954 kam der Betrieb als VEB (K) Boots- und Reparaturwerft Stralsund-Dänholm unter kommunale Verwaltung. Als der Dänholm 1956 Militärgebiet der NVA der DDR wurde, gab es für die Bootswerft keinen Platz mehr. Eine andere kleine Bootswerft, Eigner Carl Fünning, hatte sich Anfang 20. Jhdt. am Flotthafen/Am Langen Kanal in der Frankenvorstadt niedergelassen. Richard Dinse übernahm den Betrieb am 1. Oktober 1913. Der Bau kleiner Fischereiboote und Bootsreparaturen waren all die Jahrzehnte das Hauptgeschäftsfeld des Handwerksbetriebes. Seit 1978 firmiert das Unternehmen als Bootswerft Thomzik bis heute und bietet hauptsächlich Bootsservice, Reparatur und Winter-Liegeplätze.

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Die Kröger-Werft GmbH, ein Zweigbetrieb der Gebr. Kröger Yacht- und Bootswerft Warnemünde, übernahm 1940 ein Gelände am Ziegelgraben südlich vom Rügendamm-Bahnhof, welches durch Aufschüttung auf ca. 57.000 m² erweitert wurde. Am 7. Januar 1941 erfolgte beim Amtsgericht Stralsund der Eintrag ins Handelsregister. Die Gebrüder Hans und Karl Kröger folgten dem Rüstungszwang des II. Weltkrieges und dehnten ihre Kapazität durch diese neue Zweitwerft aus. Ab dem 13. März 1941 begannen die Arbeiten am Aufbau des Betriebes und am 1. April 1942 nahmen die Krögers die Produktion auf. Zeitweilig betrug die Belegschaft 500 – 600 Personen. Ihr Unternehmen in Warnemünde hatten sie 1928 gegründet. Sportboote und Segeljachten waren damals die Haupterzeugnisse. Den militärischen Sektor bedienten sie dann ab 1935 mit der Entwicklung von Flugbetriebsbooten. Diese Fahrzeuge sollten Piloten und havarierte Flugzeuge aus Seenot retten. Mit diesem in Serie gebauten Typ „SEETEUFEL VI“ begannen sie auch die Produktion in Stralsund, gefolgt von Kleinkampfbooten der Typen „LINSE“ und „HYDRA“. Der geplante größte Typ „SEETEUFEL VII“ und ausgerüstet mit Flak-Bewaffnung, kam vermutlich nicht mehr zur Ausführung. Sprengboote ließen die Krögers überwiegend auf ihrem dritten und kleinsten Standort in Schwaan an der Warnow fertigen.

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Bei der anglo-amerikanischen Bombardierung Stralsunds am 6. Oktober 1944 wurde auch ein Teil der Werft zerstört. Das Vorrücken der Roten Armee im Frühjahr 1945 auf Vorpommern veranlasste das Reichsluftfahrtsministerium am 18. April 1945 zum Verlegungsbefehl für die Kröger-Werft nach Westen (Rendsburg). In der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945 transportierten die kleinen Frachter „Schwalbe“, „Genius“ und „Uta“ Maschinen und Schiffbaumaterial von der Kröger-Werft ab. Zwei unfertige Schnellboote sollen sich ebenfalls unter der Ladung befunden haben. Am Morgen des 30. April verließen dann die Krögers mit ihrer Yacht „Jan Maaten“ Stralsund in Richtung Dänemark mit dem Ziel Schleswig-Holstein. Pioniere der Wehrmacht sprengten vereinzelte Werfteinrichtungen. Nach Kriegsende befahl der sowjetische Stadtkommandant am 22. Juni 1945 die Demontage der Reste der Werft. Nach ca. 4 Wochen war diese Aktion abgeschlossen.

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Die Kröger-Werft GmbH wurde am 9. Oktober 1945 als neuer Betrieb Ingenieurbau GmbH Stralsund eingetragen. Mehrheitseigner mit 90% war die Stadt Stralsund. Auf dem Gelände begann man mit etwa einhundert Beschäftigten mit Bauhof typischen Arbeiten. Ab 14. April 1947 wird der Betrieb landeseigen und von Schwerin aus kontrolliert. Mit dem Bau von Kuttern wird noch 1947 begonnen und am 25. April 1948 kommt der erste 17m-Holzkutter zur Ablieferung. Mit dem SMAD-Befehl Nr. 103 vom 7. Juni 1948 wird der „Grundstein“ für den am 15. Juni 1948 gegründeten und ins Handelsregister eingetragenen VEB Volkswerft Stralsund gelegt.

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Um den Stellenwert des Stralsunder Schiffbaus der ersten Hälfte des 20. Jhdt. einzuschätzen, genügt ein Blick auf den deutschen Schiffbau jener Zeit. Diese fünf Jahrzehnte waren überschattet von zwei verheerenden Weltkriegen. Die Wirtschaft, und damit Seefahrt und Schiffbau, war beeinflusst von vielen Aspekten technischer, mehr aber noch gesellschafts- und sozialpolitischer Entwicklungen. Aufschwung infolge der Rüstung jeweils vor den zwei Weltkriegen mit Umstieg vom Handels- zum Kriegsschiffbau füllte die Auftragsbücher der Werften besonders in den Jahren 1910-1917 und 1934-1943. In den 1920ger Jahre dagegen war die Branche einem heftigen Wechsel von Konjunktur und Flaute sowie einem Strukturwandel mit Fusionen als auch Werftschließungen ausgesetzt. Das „Gesetz zur Wiederherstellung der deutschen Handelsflotte“ von 1917, der Versailler Vertrag vom Juni 1919 mit den Restriktionen für Schiffbau und Schifffahrt in Deutschland einschließlich den Reparationsforderungen, die Einführung der 48 h – Woche und erste Tarifabschlüsse, Aufnahme schiffbaufremder Fertigungen und Materialengpässe u. a. waren Ausdruck dieser schwierigen Werftensituation. Der im Februar 1921 geschlossene Reedereiabfindungsvertrag zwischen dem Reichsministerium für Wirtschaft und Finanzen sowie der Reeder-Treuhandgesellschaft (RTG) brachte wegen der inflationären Entwicklung auch nicht den erwarteten Auftragseingang bei den Werften.

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Andererseits setzten technische Neuentwicklungen und verbesserte Produktionsverfahren positive Signale. Propulsions- und Steuerorgane bekamen einen beträchtlichen Qualitätsschub (Voith-Schneider-Antrieb 1926, Kort-Düse 1934). Produktionstechnisch kam es zur „Vervollkommnung“ von Bearbeitungsanlagen mit „getaktetem“ Bauteildurchlauf. Lochmaschinen (zum Stanzen der Nietlöcher) wurden ersetzt durch Vielspindel-Bohrmaschinen, die gleichzeitig die Bearbeitung eines Blechpaketes ermöglichten. Platten- und Profilbiegemaschinen kamen als weitere Innovationen verstärkt in den Bearbeitungsanlagen zur Anwendung. Diese „Rationalisierungsmaßnahmen“ liefen auch auf die Einsparung von Arbeitskräften hinaus und letztlich auf ein wettbewerbsfähiges billigeres Bauen.

 

Das Lichtbogenschweißen, von der Reichsmarine für die Anwendung im Schiffbau forciert und 1931 vom Germanischen Lloyd in sein Vorschriftenwerk implementiert, stand ab dieser Zeit auch allen privaten Werften offen – vorausgesetzt die erforderlichen Ausrüstungen konnten angeschafft werden für die Neubaufertigung. Die Marine war insofern am Ersatz der Nietung durch die Schweißung interessiert, da sich damit erhebliche Gewichtseinsparungen für den Schiffskörper im Kriegsschiffbau erzielen ließen. Dieser Vorteil konnte zugunsten der Ausrüstung und Armierung verwendet werden und die Festlegungen des Versailler Vertrages wurden so unbeschadet unterlaufen. Der Schnürboden soll nicht unerwähnt bleiben, trug die Methode des Aufzeichnens der Spante und Außenhaut im Maßstab 1:10 und ihr optisches Übertragen M 1:1 auf die Schiffsbleche ebenfalls zu einer Steigerung der Produktivität und Qualität bei.

 

Sucht man nun aus diesem gesamten Spektrum der deutschen Werftensituation analoge Impulse bei den fünf Stralsunder Werften von 1900 bis 1945, so wird man nicht fündig. Auch die bei Schuldt und Fröhling insgesamt gebauten bzw. reparierten fünfzig Schiffe sowie jene unbe-stimmte Anzahl von der Kröger-Werft ändern daran nichts. Letztere produzierte nur 3 Jahre und bediente ausschließlich den Rüstungsbedarf der deutschen Kriegsmarine. Für das erstgenannte Unternehmen sind auch nur 12 Jahre Werfttätigkeit verzeichnet und das Produktionsprofil weisst nur kleine Fahrzeuge aus für den Binnenverkehr und für technische Dienste. Dem Schiffbau am Strelasund in der ersten Hälfte des 20. Jhdt. kommt lediglich eine lokale Bedeutung zu. Mehr als gutes handwerkliches Wirken ist bei den Werften für den zivilen Schiffbau nicht zu erkennen und es wurde repariert und „gebaut wie anno dunnemals“.

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Ein völlig anderes Bild zeichnete sich in der zweiten Jahrhunderthälfte ab, in der ein industrieller Schiffbau zum dominierenden Wirtschaftsfaktor der Region wurde. Sowohl ab den 1960ger Jahren mit der Entwicklung moderner Fischereifahrzeuge in großen Serien (Trawler vom Typ „ATLANTIK“) als auch mit der Entwicklung und dem Bau innovativer Schiffstypen in der Zeit von 1990 bis 2021 erlangte der Stralsunder Schiffbau Weltgeltung und der Begriff Volkswerft wurde zu seinem Markenzeichen. Mit der „CRYSTAL ENDEAVOR“ der MV Werften Stralsund fand diese Entwicklung 2021 ihr vorläufiges Ende.

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Einen Überblick über die letzte Ära mit allen auf Kiel gelegten Schiffen zeige ich in meiner Dokumentation „Schiffe vom Strelasund – Ein Kapitel deutscher Schiffbaugeschichte von 1945-2021“. Diese ist als Buch im Bestand der Bibliothek des Deutschen Meeresmuseums Stralsund, im Stadtarchiv Stralsund, im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven, in der Landesbibliothek Schwerin und in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig.

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Ich habe diese schiffbau-historische Betrachtung aus Interesse an der Regionalgeschichte und als „Laienhistoriker“ mit der gebotenen Sorgfalt erarbeitet. Für wissenschaftliche und eventuell formale Unzulänglichkeiten bitte ich um Nachsicht.

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Als Quellen dienten mir vorwiegend die Werke von:

Fredrik Henrik af Chapman (1768)

Hans-Albert van der Heyden

Paul Heinsius

Walter Vogel

Stefan Kroll

Herbert Ewe „Die Geschichte der Stadt Stralsund“

Wolfgang Rudolph

Thomas Förster

Günter Krause

sowie Beiträge verschiedener Fachzeitschriften aus dem vorigen Jahrhundert.

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Den Auszug aus dem Kämmereibuch im Pommerschen Jahrbuch, 2. Band von 1901, und die gezeigten Stralsunder Stadtansichten konnte ich mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Stralsund vom 30.03.2022 für diese Arbeit aufnehmen.

 

Stralsund, Sommer 2024

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